Was andere über uns denken …
… ist meistens besser, als wir glauben, dass sie denken … Aber der Reihe nach. Zuerst zu uns selbst:
Auch wir bilden uns eine Meinung über uns selbst. Meistens wird diese durch eigene Leistungskriterien beeinflusst. Leistung wird an (eigenen) Zielen gemessen. Je höher diese Ziele, desto schwieriger sind zu erreichen. Hohe Ziele sind durchaus erlaubt, wenn Terminplan und Wege realistisch sind. Erfolg hat mit Aufmerksamkeit zu tun. Man will etwas erreichen. «Zeigen, was in einem steckt». Akzeptanz holen. Das ist nichts Schlechtes. Weil es ein gesunder Antrieb ist. Nur sind die eigenen Erwartungen an uns selbst in den meisten Fällen zu hoch. Wie sieht es aus der Sicht der andern aus?
«Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt»
Erich Fried, österreichischer Lyriker, Übersetzer, Essayist jüdischer Herkunft
Tut gut, oder? Möchten Sie auch diesen irgendjemand kennenlernen, für den Sie «die Welt» sind? «Die Welt sein» muss nicht mit einer ausserordentlichen Leistung zu tun haben. Vielleicht passt der Begriff «vertrauenswürdig» besser. Kann es sein, dass es sogar nicht nur eine Person ist, sondern sogar mehrere? Zugegeben: «die Welt sein» ist etwas hoch gegriffen. Dieser Vergleich ist auch symbolisch gemeint.
Blicke ich auf mein Leben zurück,
werde ich wohl am ehesten für meine Familie und ein paar wenige Freunde diesen Status haben. In einigen Momenten war ich für sie die Welt, in anderen nur «unsere Strasse». Ein Detail eines Ganzen. Aber eben ein wichtiges. Vielleicht sogar ein entscheidendes. «Dank deinem Tipp bin ich heute beruflich selbständig» hat mir vor einiger Zeit jemand gesagt. Upps, daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern …
Das hatte nicht mit auffallenden Leistungen von mir zu tun,
sondern mehr mit der Tatsache, dass ich da war und den anderen «hörte». Mir Zeit nahm, auch wenn ich vielleicht noch anderes zu tun gehabt hätte. Die Welt für jemand anderen sein bedeutet, Wertschätzung zu leben. Ihn oder sie als so wertvoll anzusehen, dass man eigene Arbeit, Pläne und Ziele unterbricht und sich Zeit für den anderen nimmt. Nehmen sich Menschen für mich Zeit, spüre ich in mir ihnen gegenüber Wertschätzung und Dankbarkeit. Das führt mich zu der Frage: Welche Person ist die Welt für mich?
Menschen, die sich bewusst dem Leben stellen
Für mich die Welt sind meine Familie und meine Freunde. Naturgemäss. Verwandtschaft, gemeinsame Interessen und Sympathie verbinden. Da ist aber noch mehr: Sehr oft sind es auch Menschen, die mir Situationen aus dem Alltag schildern. Herausforderungen, bei denen sie «nicht» weiterkommen. Ehrlichkeit und Transparenz bewundere ich. Auch Stillstand kann Weiterentwicklung bedeuten… Ja, genau. Stillstand bedeutet etwas aushalten müssen. Aushalten können hat einen enormen Einfluss auf unsere innere Entwicklung. Wenn wir uns darauf einlassen und es nicht verdrängen. Es geht nicht darum, sich und anderen etwas zu beweisen, sondern echt zu sein. Echt sein ist die Basis für echte Freundschaften.
Wie man Freunde gewinnt
Eine Freundin, einen Freund zu haben, für jemanden «die Welt» zu sein, bedeutet langjährige Aufbauarbeit und Geduld. Dran bleiben. Sich loslösen von eigenen, festgefahrenen Ansichten als einzige Wahrheit. Mit den Augen des andern sehen, mit seinen Ohren hören und mit seinem Herzen spüren. So lautet ein Spruch aus der Individualpsychologie. Den anderen schrittweise und in dem Tempo, welches wir zulassen können, wahrnehmen, ist ein Teil von nachhaltiger Gemeinschaft. Zudem darf man sich dem andern ebenfalls (in dessen Tempo) zumuten. «Mit dem Gefühl der Zugehörigkeit nimmt das Interesse an den anderen Menschen zu» (Theo Schoenaker). So kann aus einem Anfang, aus Durchhalten und gegenseitiger Wahrnehmung für «irgendjemanden» eine neue Welt entstehen …
Kommentare