«Nachdem sie damals ausgezogen ist, bin ich jeden Tag in ihr Zimmer gegangen und habe geweint. Es brauchte fünf ganze Jahre, bis ich ihr Zimmer verändern konnte.» Dieses Zitat stammt von der Rocksängerin Suzi Quatro, als Ihre Tochter Laura ausgezogen ist (Spiegel.de, 4.3.2006 – «Ich habe den Frauen eine laute Stimme gegeben»).
Loslassen lernen ist ein Prozess. Ein wichtiger. Wir halten nun mal gerne fest, was wir uns mühsam erarbeitet haben oder was uns lieb und wichtig ist. Und trotzdem: Loslassen ist eine unserer Lebensaufgaben.
Was beinhaltet unser Leben?
Wenn wir vom normalen Leben eines Menschen ausgehen, so erlebt jeder eine Kindheit, eine Adoleszenz, das Erwachsenenalter, Wechseljahre, Pensionierung und schlussendlich erwartet einen der Tod. Dazwischen bestimmen wir und werden wir bestimmt. In Krisenzeiten suchen wir, ja brauchen wir einen Halt. Das sind nicht selten auch Erinnerungen an Bisheriges. An alte Freunde, an Schulkameraden, an das traute Heim. Ich erinnere mich noch gut an die Gefühle, als meine Eltern mein Zimmer räumten (ich war ja schon ein paar Monate ausgezogen) und diesen Raum selbst «einnahmen». Für mich bedeutete das den „point of no return“. Rückkehr ausgeschlossen. Flucht nach vorne. Gefühlt war die letzte Erinnerung an die Kindheit weg. Erwachsen Sein beinhaltet viel Schönes, aber eben auch anderes. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit Loslassen konfrontiert war. Wohl aber das erste Mal so direkt bewusst.
«Nur mit leeren Händen kann man nach Neuem greifen»
aphorismen.de
Als ich vor gut einem Jahr in ein kleineres Büro umgezogen bin, fiel mir auf, wie wenig ich eigentlich zum Arbeiten brauche und wie viel ich einfach entsorgen konnte. Da lagen viele Dinge auf dem Bürotisch, die mir ständig signalisierten: Das und das musst du auch noch erledigen und jenes ebenfalls. Zeitschriften, Bücher, Flipchart, Werbung, Computer Material und so weiter. Dinge, die mir Kraft nehmen und nach meiner Aufmerksamkeit verlangen. Mir fällt auf, je grösser der Bürotisch, desto mehr Material hat darauf Platz. Je mehr Raum, desto mehr Ware …
Nun habe ich mir angewöhnt, monatlich meinen Tisch zu räumen. Was bis dato nicht angesehen wurde, wird entsorgt. Ich nenne es das Loslassen-Training. Nur leere Hände können mit andern Dingen gefüllt werden. Regelmässiges Loslassen-Training lässt uns das Leben, wie es ist, spüren. Dies hilft uns ganz besonders für den letzten Lebensabschnitt. Wir können am Ende nichts mitnehmen. Alles hat seine eigene Zeit. Loslassen, etwas was uns die Natur tagtäglich vorlebt. So kann Neues entstehen. Mit diesem Wissen geniessen wir bewusster. Momente, Beziehungen und Materielles werden wertvoller. Klasse statt Masse. Loslassen hilft, Leben ins rechte Licht zu rücken.
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