Esoterik und der Wunsch nach Wohlbefinden im Hier und Jetzt

Esoterik und der Wunsch nach Wohlbefinden im Hier und Jetzt
Der Mensch auf der Suche nach einem Leben mit Sinn

Mitte 2012 habe ich mich auf raeber-leben-blog.ch schon mal mit dem Thema Esoterik auseinandergesetzt. Nach gut 3 Jahren möchte ich den Wunsch nach Wohlbefinden im Hier und Jetzt, wie es Religionswissenschaftler Prof. Dr. Rafael Walthert von der Universität Zürich gegenüber dem Blick formuliert hat, nochmals aufgreifen. Vorab möchte ich betonen, dass ich es gut finde, wenn sich der Mensch mit dem Hier und Jetzt auseinandersetzt. Ebenso finde ich die Auseinandersetzung Fragen um den Lebenssinn sehr wichtig. Fragezeichen habe ich dann, wenn ein Geschäft daraus gemacht wird. Menschen, die sich solchen Fragen stellen, sind oft unsicher, verletzlich und suchen nach jedem Halt, der sich ihnen bietet. Ein weiterer Punkt, den ich wichtig finde: Viele Lebenssituationen haben mit uns selbst zu tun. Den Zusammenhang mit irgendwelchen Energien scheint mir manchmal mehr als Begründung für etwas verwendet zu werden, das nicht beweisbar ist. Aber schön der Reihe nach.

Die Suche nach Lebenssinn

Es liegt wohl im Menschen drin, dass er sich viele Fragen stellt. Darunter auch: Woher komme und wohin gehe ich? Mensch und Sinn, das lässt sich nicht trennen. Die Lebenssinn-Frage beschäftigt uns bis a) ans Lebensende oder b) bis wir sie geklärt haben. Sie lässt sich aufschieben, aber nicht definitiv verdrängen. Je älter wir werden oder wenn wir Gefahren und Krankheiten ausgeliefert sind, desto drängender wird diese Frage. Der Wunsch, sich in Krisenzeiten getragen zu fühlen, ist enorm stark. Diesbezüglich hat die Esoterik offenbar viel zu bieten.

Auszeit: Den Sinn des Lebens suchen.
Den Lebenssinn suchen bedeutet, sich bewusst Zeit dafür zu nehmen.

Milliardenmarkt

Der Sektenexperte Hugo Stamm schreibt im Blog auf Tagesanzeiger.ch, dass der Esoterikmarkt längst ein globales Imperium sei, das Milliarden umsetzt. Laufend werden neue Produkte auf den Markt geworfen oder neue Dienstleistungen kreiert. Sehnsucht ist lukrativ. Lieber bezahlen, als Spannungen auszuhalten. Schnelle Lösungen sind uns etwas wert. Im Blickartikel wird beschrieben, wie eine Frau einen 2200 Franken teuren «Zapper» gekauft hatte. Das sei ein wundersames elektronisches Gerät, das durch Hochfrequenz-Schwingungen die Zellspannung erhöhen und dadurch sogar Aids und Krebs beseitigen soll. Bei der Frau habe der Zapper versagt, schreibt der Blick. Ihre Entzündung am Fuss sei geblieben. Die Diagnose des Heilers: «Wahrscheinlich liegt bei Ihnen eine Blockade beim Energiefluss vor». Energie lässt sich schwer beweisen. Und wird im Beispiel hier, mit dem Vorwurf mangelnden Glaubens an die Heilung oder an die Massnahmen, an den Ratsuchenden abgeschoben.

Im Mittelpunkt aller Fragen stehen wir

Esoterik wirkt auf mich wie eine schnelle, möglichst kostengünstige (im Sinne von Aufwand) Lösung. Ich kaufe eine Leistung und erhalte Sofort-Hilfe. Mit einem Gerät oder der Zusage eines «Zukunftberaters». Externe Hilfe und, wenn nötig, sogar mit Hilfe des Jenseits. Laut Blick-Artikel verlangt zum Beispiel der bekannte Esoterik Unternehmer Mike Shiva von diesen Beratern «die Fähigkeit, auf irgendeine Art und Weise in die Zukunft zu schauen». Offenbar ist die Nachfrage gross, denn Shiva beschäftigt inzwischen 50 freie Berater für Shiva-TV.

Esoterik: Unterwegs sein mit dem Wunsch nach Führung
Wer sucht soll finden! Ist Esoterik ein möglicher Weg oder eine Einbahnstrasse?

Wie gehen wir mit dem Leben um?

Grundsätzlich muss jeder Mensch selbst wissen, woher er sich Hilfe holt. Letztendlich sind wir entscheidungstreffende und freie Wesen. Nur gerade diese Entscheidungsfähigkeit nimmt in Krisenzeiten ab. Ungewissheit drängt. Wir werden offener für unkonventionelle Lösungen. Hauptsache es nützt – das sagen auch viele Heiler. Ich denke zurück an eine TV-Sendung, in der eine junge Frau porträtiert wurde. Eine der allerersten Sendungen vom Fenster zum Sonntag Talk. Diese Frau, Simea Schwab, kam ohne Arme zur Welt. Ein Leben so zu gestalten, dass es unter diesen Voraussetzungen lebenswert ist, ist eine enorme Herausforderung.

Das Leben auf unsere ganz eigene Art meistern

Simea Schwab ist heute Theologin M.A und eidg. dipl. Erwachsenbildnerin. Sie meistert ihr Leben auf ihre ganz eigene Art. Sie steht in meinen Augen für viele andere Menschen, die scheinbar weniger als wir «normalen» Menschen haben. Wir, die wir doch oft mit dem Gefühl leben, es fehle uns andauernd etwas. Ist es nicht letztendlich unsere Entscheidung, was wir aus unserem Leben machen? Wie wir damit umgehen? Welche Ziele wir uns setzen und mit wem wir uns vergleichen? Ja zu uns und unserer Situation sagen. Da fängt Persönlichkeitsentwicklung an. Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, mit den vorhandenen oder unentdeckten Kompetenzen (Werkzeugen) das Leben zu meistern. Dort findet die Tiefe des Lebens statt. Aus manchmal schier Unmöglichem entsteht Mögliches. Umgang mit dem Leben, trotz gefühltem Mangel. Nicht alle Helden werden bekannt. Wer mit seinen Defiziten leben kann, ist aus meiner Sicht ein Held und verdient Respekt!

Der Weg zu Wohlbefinden trotz unbeantworteter Fragen

Auch diese Haltung kostet uns etwas. Prof. Dr.med Dr.h.c. Jürg Willi (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH) schreibt in seinem Buch «Wendepunkt im Lebenslauf. Persönliche Entwicklung unter veränderten Umständen – die ökologische Sicht der Psychotherapie» dass es die unerfüllten Wünsche sind, die uns helfen, das ganze Leben lang zu suchen (Klett-Cotta, Stuttgart). Suchen hält aktiv. Überwindung, dran zu bleiben, auch wenn sich nichts ändert. Aushalten können und daran reifen. Eigene Wege entdecken. Zum Profi seiner Lebensgeschichte werden. Der Gewinn ist wesentlich grösser und dauerhafter. Laut Willi wurde in einer Studie festgestellt, dass Menschen mit einem starken sozialen Umfeld ihr Leben trotz schwieriger Voraussetzungen meistern können.

Hilfe beanspruchen soll nicht als etwas Schlechtes dargestellt werden

Vielleicht fehlt es einfach an meinem Glauben, dass mir ein «Zapper» etwas bringen könnte. Ich setze lieber auf den allmählichen Aufbau oder die Entwicklung von Kompetenzen. Oder eines tragenden sozialen Umfeldes. Das ist meine ganz persönliche Sicht.

Beziehung trägt – nur wird sie oft unterschätzt

«Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig» so lautet ein oft zitierter Vers aus der Bibel. Hilfe von aussen. Also doch. Ja. Nur mit einem kleinen Unterschied. Esoterik wirkt auf mich wie ein Businessmodell, das (aus)nutzen kann. Glaube ist ein Beziehungsmodell, das offenbar trägt. Simea Schwab schreibt auf ihrer Webseite von «ermutigt und begeistert leben» und bezieht sich auf die Hilfe, die sie von Gott bekommt. Der ist zwar nicht greifbar und bietet kein Sortiment an «Werkzeugen» an, dafür trägt er. Rund um die Uhr. Und das kostenlos.

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